Ein paar Fakten und Überlegungen zu Esperanto


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Abgeschickt von Louis F. v. Wunsch-Rolshoven am 28 Januar, 2002 um 22:29:00

Antwort auf: Andere Plansprachen, Warum nicht das einfachere Toki Pona? von Ro am 25 Januar, 2002 um 21:42:36:

: OK, Esperanto ist ja ganz schön.

Das finde ich auch. Ich spreche es jetzt seit 24 Jahren, dolmetsche gelegentlich, spreche oft Esperanto mit meiner achtjährigen Tochter, fahre mit ihr häufig zu internationalen Esperanto-Treffen und es gefällt mir weiterhin gut. Meiner Tochter übrigens auch.

: So einfach ist es nun auch nicht.
: Ich denke nur an die Tabell-Wörter, die man sich kaum merken kann. Auch all Wörter mit -aux am Ende.

Es ist nun mal so, dass man auch für Esperanto ein wenig lernen muss, auch neue Wortstämme. Eine internationale Sprache, bei der für jedermann, unabhängig von der Muttersprache, alle Wörter schon bekannt wären, ist leider nicht zu konstruieren :-) . Immerhin sind für Deutsche etwa 90 % der Wortstämme in einem deutschen Wort oder Fremdwort enthalten, das macht das Lernen schon etwas leichter.

Die sogenannten Tabellwörter (kio, tio usw.) muss man einfach lernen, da kommt man nicht dran vorbei - die Systematik hilft einem für das spontane Sprechen nicht so viel, wie man zunächst denkt. Wörter wie apenaux (kaum, frz. à peine) oder ankoraux (noch, frz. encore) sind für manche neu und daher zu lernen. In den vielen Esperanto-Kursen, in denen ich unterrichtet habe, haben die Schüler das auch hingekriegt. Und es bleibt einfach bestehen, dass Esperanto bis zu einem vergleichbaren Niveau vermutlich in einem Drittel oder sogar einem Sechstel der Zeit zu lernen ist, die man als Deutscher für z. B. Italienisch aufwenden muss. (Ich habe beide Sprachen parallel gelernt.)

: Die Aussprache ist auch nicht so einfach. Z.B. die Unterschiede zwischen gx und jx sind gering.

Es gibt ja möglicherweise Aussprache-Aspekte, die man an Esperanto kritisieren könnte. Der Unterschied zwischen ajxo (Ding) und agxo (Alter) ist jedenfalls ausreichend ausgeprägt. Das jx wird wie in deutsch "Genie" oder "Journal" ausgesprochen, gx wie in "Dschungel" - im Deutschen gibt es dieses Paar jx/gx vielleicht nicht als Minimalpaar, vergleichbar ist hier der Unterschied zwischen "rasch" und "ratsch". Und dieser Unterschied ist doch hoffentlich zu hören, oder?

: Auch ist Esperanto nicht logisch und unabhängig.

Wie schon Prof. Max Mangold, der Verfasser des Aussprache-Dudens, in einem Aufsatz zu Esperanto schrieb: Leider fehlt eine Definition, was dieses "eine Sprache ist logisch" eigentlich bedeuten soll.

Betrachten wir lieber - wie Mangold - die Regelmäßigkeit. Und Esperanto ist in sehr hohem Maße regelmäßig, aber leider auch nicht an wirklich jeder Stelle. (Ich glaube kaum, dass es je eine wirklich perfekte internationale Sprache geben wird - statt nur zu warten, spreche ich schon mal Esperanto.)

: Man denke nur an "bonhavo" was "Guthaben" heissen soll. Das "Gut" bei Guthaben hat aber nichts mit gut oder böse zu tun. Es müßte ja nach Esperantologik auch "malbonhavo" geben.

Das "gut" in "bonhavo" hat etwas mit gut oder schlecht zu tun. Ein Guthaben ist tendenziell gut, oder nicht? :-) (Zumindest für den betreffenden Kunden, die Bank sieht das vielleicht - zunächst - anders).

Wieso sollte es "malbonhavo" nicht geben? "En mia konto mi havas ne bonhavon, sed malbonhavon" ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber doch klar zu übersetzen, "Auf meinem Konto habe ich kein Guthaben, sondern ein Soll."

: Hier ist das "Gut" als "Besitz" gemeint.

Nein. Haben (Besitz) wird mit "havo" übersetzt.

: Besser wäre wohl "pakajxohavo". Schon als Anfänger fallen einem schon solche Ungereimtheiten auf.

Ein "Pakethaben" verstehe ich nicht.

: International? Wohl kaum. Das ist Gaelic auch international. Es wird auch in mehreren Ländern gesprochen.

Natürlich ist Irisch-Gälisch in schwachem Maße international, weil es wohl neben Irland auch in Nordirland ein wenig gelernt und gesprochen wird. Das Sprachgebiet des Schottisch-Gälischen ist auf Teile von Schottland beschränkt. Allerdings werden beide Sprachen wohl nur sehr selten als internationale Sprache genutzt, etwa zwischen deutschen und französischen Sprechern einer der beiden gälischen Sprachen.

Damit eine Sprache als in stärkerem Maße "international" angesehen werden kann, reicht es nach meiner Auffassung kaum aus, dass sie in mehr als einem Land gesprochen wird. Man mag Englisch als international ansehen, weil es in vielen Ländern als Muttersprache und als Zweitsprache gesprochen wird - allerdings haben die Englisch-Muttersprachler aus höchstens einer Handvoll Ländern ganz klar das Übergewicht und sie beinflussen die weitere Entwicklung der Sprache fast ganz allein.

Bei Esperanto demgegenüber benutzen Sprecher aus vielen Dutzend Ländern die Sprache ziemlich gleichberechtigt und wirken gemeinsam an ihrer Weiterentwicklung mit. Esperanto ist daher nach meinem Verständnis in starkem Maße international. Ich empfinde Esperanto im übrigen als "meine Sprache", während ich Englisch voraussichtlich nie als meine Sprache empfinden werde - es wird halt von Engländern und Amerikanern geformt.

: Wenn nur ein paar Duzent von einer Million diese Sprache sprechen kann man sich auch nach anderen Hilfssprachen umsehen, die auch kaum einer spricht.

Ein paar Dutzend von einer Million - nehmen wir es mal an - macht ein paar hunderttausend auf der Welt. Und innerhalb dieser Gruppe habe ich - und haben viele andere - eine Menge Freunde und gute Bekannte in vielen Ländern gefunden. Die Esperanto-Sprecherschaft ist groß genug, um aureichend Leute aus dem Ausland zu finden, mit denen man sich nett und lange unterhalten kann.

: Den Begriff "Weltsprache" sollte man im Zusammenhang mit Esperanto vergessen.

Das ist Definitionssache. Jedenfalls gibt es in etwa hundertzwanzig Ländern auf der ganzen Welt Esperantosprecher.

: Esperanto lernen, um sich im Ausland verständigen zu können ist wie Sorbisch lernen, um sich in Ungarn zu verständigen.

Jede Sprache hat halt ihren besonderen Verwendungsbereich. Wer sich nur verständigen will, kauft sich einen Sprachführer oder wickelt die auf Reisen nötige Kommunikation z. B. auf Englisch ab.

Esperanto lernt man, wenn man mehr will als sich nur irgendwie zu verständigen - wenn man sich nämlich mit ein paar Leuten aus dem betreffenden Land richtig verstehen will.

: Wenn man schon eine einfache, synthetische Sprache erlernen will, die kaum jemand spricht, dann doch lieber Toki Pona.
: http://www.tokipona.org

Schön, dass man in Toki Pona auch Esperanto-Wörter wiederfindet wie etwa "suno", Sonne. Ob Toki Pona wirklich einfacher ist als Esperanto, vermag ich nicht zu beurteilen. Gibt es eine Studie dazu?

Die Kernfrage ist auch hier, was man eigentlich will. Wenn man die Exotik genießen will, dann ist Toki Pona sicher geeignet. Wenn man eine auf der ganzen Welt bestehende Sprachgemeinschaft sucht, die jährlich ein paar hundert internationale Treffen veranstaltet, dann sollte man die internationale Sprache Esperanto in Erwägung ziehen. Zum Vergleich kann man ja einfach mal eine Suchmaschine wie www.google.de nach "Toki Pona" und nach "Esperanto" suchen lassen und die Anzahl der Einträge vergleichen.

Mit freundlichen Grüßen

Louis Ferd. v. Wunsch-Rolshoven
EsperantoLand



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