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Wissenschaft/Interlinguistik, Über Esperanto
Sprachwissenschaften und Esperanto. Ein Skript im Internet

18.02.2019

In den vergangenen Jahren ist zunehmend deutlich geworden, dass über Esperanto und die Esperanto-Sprachgemeinschaft an vielen Stellen Informationen verbreitet werden, die unvollständig sind, irreführend oder einfach unzutreffend. Bedauerlich ist, dass auch in den Sprachwissenschaften unzutreffende Annahmen über Esperanto verbreitet sind und auch gegenüber der Öffentlichkeit geäußert werden.

So wurde z. B. schon 1904 das erste Mädchen geboren, das mit Esperanto als Muttersprache aufgewachsen ist; heute gibt es etwa tausend Esperanto-Muttersprachler. Damit erfüllt Esperanto alle Kriterien, die von verschiedenen Seiten an eine Bezeichnung als "lebende Sprache" geknüpft werden - neben der Existenz von Muttersprachlern gibt es ja auch eine intensive Nutzung der Sprache in sehr vielen Bereichen; vgl. auch den Beschluss der Ungarischen Akademie der Wissenschaften von 2004, dass Esperanto zur Kategorie der lebenden Sprachen gehört.

Die Tatsache, dass es mit etwa tausend Personen durchaus eine stabile muttersprachliche Gemeinschaft gibt, scheint in den Sprachwissenschaften wenig bekannt zu sein; eine kleine Umfrage unter vier AssistentInnen ergab 2015, dass alle vier nichts von Esperanto-Muttersprachlern wussten. Ebenso gibt es SprachwissenschaftlerInnen, die unzutreffenderweise behauptet haben, es gebe keine Esperanto-Literatur, keine Autoren, keine Wortspiele und Esperanto sei überhaupt keine richtige Sprache - das alles ist falsch.

 

Überblick


Unzutreffende Aussagen zu Esperanto
Wieviel Esperanto stammt von Zamenhof?
Eine "künstliche" Sprache?
Klassifikation nach Ursprung oder Funktion?
Sprache keiner Gesellschaft?
Merkmale der Esperanto-Sprechergemeinschaft (Artikel)
Wie "künstlich" sind geplante Sprachen?
Ist wichtig, wie "gut" Interlingua ist?
Warum eigentlich Esperanto?
Zusammenfassung: Was erwähnt das Skript nicht?
Grundkenntnisse zur Esperanto-Sprachgemeinschaft im Grundstudium der Linguistik


 

Unzutreffende Aussagen zu Esperanto

Eine Reihe von unzutreffenden Aussagen über Esperanto, insbesondere von SprachwissenschaftlerInnen, wurden von mir im Jahrbuch 2018 der Gesellschaft für Interlinguistik veröffentlicht: "Zum Bild des Esperanto aus der Sicht einiger Sprachwissenschaftler. Über verschiedene unzutreffende Aussagen zu Esperanto und seiner Sprachgemeinschaft". Dort ist einleitend als Kontrast die Wirklichkeit des Esperanto dargestellt - die zunehmende Verbreitung und Verwendung des Esperanto. Es werden außerdem auch eine Reihe von zutreffenden Darstellungen zu Esperanto durch SprachwissenschaftlerInnen erwähnt - das gibt es natürlich, auch von bekannteren Autoren wie Umberto Eco oder Harald Haarmann.

Weitere Recherchen im Internet fördern immer wieder neue Darstellungen des Esperanto zutage, die die Wirklichkeit der Esperanto-Sprachgemeinschaft kaum wiedergeben. So schreibt Prof. em. Dr. Christian Lehmann in einem Internet-Skript zu Grundbegriffen der Linguistik über Sprache: "Im Prinzip sind auch Welthilfssprachen bzw. Plansprachen wie Esperanto künstliche Sprachen, da auch sie von einzelnen Menschen entworfen wurden. Sobald es allerdings Kinder gibt, die sie als erste Sprache erwerben, und Sprachgemeinschaften, denen sie als erstes Mittel zur Kommunikation und Kognition dienen, sind sie von natürlichen Sprachen nicht mehr unterscheidbar." Man erwartet eigentlich, dass er nun darstellt, dass es sehr wohl Kinder gibt, die Esperanto als erste Sprache erwerben, und dass Esperanto durchaus für manche Menschen die Hauptsprache geworden ist, also die am meisten genutzte Sprache (wohl etwa hundert Personen) - aber Christian Lehmann führt das Thema Esperanto an dieser Stelle nicht fort.

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Wieviel Esperanto stammt von Zamenhof?

Es ist sicher richtig, dass die Grundzüge des Esperanto von einem einzelnen Menschen entworfen wurden, aber bereits nach zwei Jahren (1889) gab es eine internationale Gemeinschaft um die Zeitschrift La Esperantisto mit etwa 500 Abonnenten. Von Prosa und Poesie über populär-wissenschaftliche Artikel bis zu Annoncen wurde ein breites Feld von Textsorten abgedeckt. Das erste Esperanto-Lehrbuch von 1887 enthielt die Grundregeln der Grammatik auf etwa fünf Seiten, ein großes Blatt mit etwa 920 Wortstämmen sowie etwa zwei Seiten Text in Esperanto, darunter bemerkenswerterweise drei Gedichte; Zamenhof wollte ganz offensichtlich eine Kultursprache schaffen, ausdrücklich "por ĉiuj civilizitaj popoloj", und eine Kultursprache ist ja auch erfreulicherweise entstanden.

Mittlerweile sind Grammatiken des Esperanto mehrere hundert Seiten dick. Die Zahl der Wortstämme war schon 1970 auf über 15.000 angestiegen; das aktuelle Esperanto-Deutsch Wörterbuch (Erich-Dieter Krause) von 2018 verzeichnet 150.000 Wörter. Es sind bisher etwa 10.000 Esperanto-Bücher erschienen (ergänzend gibt es natürlich viel sonstigen Text; alleine die Esperanto-Wikipedia umfasst jetzt eine Viertelmillion Artikel - diese Textmenge entspricht vielen hundert Büchern).

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Eine "künstliche" Sprache?

Es ist daher wohl nicht überraschend, dass der Linguist Harald Haarmann schon 2001 formulierte: "Obwohl Esperanto als Plansprache konzipiert wurde, ist es inzwischen eine lebende Sprache und seine Definition als «künstliche» Sprache mutet heutzutage eher künstlich an. Es ist nicht abwegig, Esperanto als natürliche Sprache zu kategorisieren." Jouko Lindstedt listet 2006 drei Eigenschaften natürlicher Sprachen auf, die auch bei Esperanto zu finden sind: Die Norm des Esperanto ist teilweise nicht kodifiziert (daher: volle Erlernbarkeit nur durch die Praxis; Lernmaterial alleine genügt nicht), grammatischer und lexikalischer Wandel, Muttersprachler (Abschnitt "Properties of natural language in Esperanto" in "Native Esperanto as a Test Case for Natural Language").

In der Tat ist das heutige Esperanto von ethnischen Sprachen wie Deutsch oder Italienisch beim täglichen Sprachgebrauch kaum noch zu unterscheiden. Es stellt sich die Frage, welche Unterschiede bleiben. So ist festzustellen, dass eine Grundmenge von grammatischen Regeln entsprechend der Übereinkunft über die Grundlagen der Sprache von 1905, dem sog. Fundamento, unveränderbar sein soll; zum anderen nimmt Esperanto weit weniger neue Wortstämme auf als etwa das Deutsche; es bildet neue Begriffe sehr oft aus schon Vorhandenem: Statt der neuen Wörter Handy und Smartphone wurden die Begriffe im Esperanto aus bekannten Wortwurzeln gebildet; ein Handy ist ein poŝtelefono ("Taschentelefon"), ein Smartphone zumeist ein saĝtelefono ("kluges Telefon"); so bleibt die raschere Erlernbarkeit des Esperanto weitgehend erhalten. Ergänzend ist Esperanto natürlich eine Diaspora-Sprache und eine internationale Sprache, was gewisse Unterschiede zu den meisten ethnischen Sprachen bedingt.

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Klassifikation nach Ursprung oder Funktion?

Weiter unten auf derselben Internet-Seite stellt Christian Lehmann in einem Baumdiagramm eine systematische Aufschlüsselung der Kognitions- und Kommunikationsmittel dar, also menschliche und tierische Sprachen oder Kommunikationssysteme. Menschliche Sprache wird in "natürliche" und "künstliche" Sprache aufgeteilt, sodass eine Sprache wie Esperanto in der Nähe von logischen und Programmiersprachen eingeordnet ist, fernab von Lautsprachen wie Deutsch oder Vietnamesisch. Es ist sehr freundlich, dass Christian Lehmann auf einen Hinweis hin einen Nachsatz angefügt hat: "Selbstverständlich sind andere Klassifikationskriterien denkbar. Man könnte die menschlichen Sprachen, statt nach dem Kriterium ihres Zustandekommens nach dem Kriterium ihrer Funktion einteilen, z.B. in ‘zwischenmenschliche vs. formale Sprachen’. Dann wäre der Zweig der Welthilfssprachen unterhalb der Ebene der Lautsprachen anzusiedeln."

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Sprache keiner Gesellschaft?

Auf einer anderen Seite seines Internet-Skripts behandelt Christian Lehmann die "Soziologie einer Sprache als ganzer". Hier ist einleitend unter der Überschrift "Natur der Sprache" zu lesen, dass eine "natürliche" Sprache Kommunikationsmittel mindestens einer Gesellschaft ist - im typischen Falle eine traditionelle Sprache. Lehmann erwähnt, dass unter den Begriff marginal auch Pidginsprachen und aussterbende Sprachen fallen. Er führt fort: "Eine Plansprache oder Welthilfssprache dagegen ist Sprache keiner Gesellschaft." In der Folge wird auf das 1887 von Ludwik Zamenhof veröffentlichte Esperanto sowie auf Volapük und Interlingua hingewiesen.

Es wirkt etwas überraschend, dass die Frage der historischen Entstehung einer Sprache damit verknüpft sein soll, ob diese Sprache später das Kommunikationsmittel einer Gesellschaft ist. In der Tat verweist der Soziologe Nikola Rašić in seinem Buch "La Rondo Familia" (1994), in dem er ein knappes Dutzend soziologischer Untersuchungen der Esperanto-Sprachgemeinschaft vorstellt, auf einen Prozess der gesellschaftlichen Transformation von einer Reformbewegung zu einer alternativen Kultur, zu einer Mikrogesellschaft, die parallel zu einer Makrogesellschaft existiert, diese ergänzt und sich im wesentlichen selbst genügt. Auch Sabine Fiedler, seit so manchem Jahrzehnt anerkannte Interlinguistin und Esperantologin, schreibt in ihrem Beitrag "Kultur und Plansprache: Betrachtungen zum Esperanto" für den Sammelband "Kaleidoskop der Kulturen" (2010) über die "Mikrogesellschaft der Esperanto-Sprachgemeinschaft" (S. 183).

Hinweise auf die Bildung einer Mikrogesellschaft kann auch die Tatsache geben, dass bei aktiven Esperanto-Sprechern in vielen Fällen Partner und Kinder auch Esperanto sprechen: Nach der eigenen Untersuchung von Rašić (unter Teilnehmern von drei Esperanto-Kongressen, um 1985) haben zwei Drittel der Befragten, die in einer Partnerschaft leben, einen esperantosprachigen Partner. Bei den Antwortenden mit Kindern sprechen 45 % der Kinder ebenfalls Esperanto (a.a.O., S. 153). Die Herkunft der Lehmannschen Annahme, eine Plansprache sei Sprache keiner Gesellschaft, ist unklar.

 
Über die Merkmale der Esperanto-Sprechergemeinschaft informiert eine Reihe von Artikeln, etwa:

Richard E. Wood (1979). A Voluntary Non-ethnic, Non-territorial Speech Community . In: William F. Mackey and Jacob Ornstein (eds.), Sociolinguistic Studies in Language Contact. The Hague: Mouton, 433-450.

Sabine Fiedler (2006). Standardization and self-regulation
in an international speech community: the case of Esperanto. Int’l. J. Soc. Lang. 177 (2006), 67–90 Zusammenfassung

Kimura Goro Christoph (2012). Esperanto and minority languages: A sociolinguistic comparison. In: LPLP 36(2), 167-181. Zusammenfassung

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Wie "künstlich" sind geplante Sprachen?

Unter der Überschrift "Anwendungen der Linguistik" stellt Christian Lehmann die Interlinguistik vor, die Lehre von den Plansprachen. Er benutzt auch hier den Begriff "künstliche Sprachen", der seit den 1930-er Jahren in der Interlinguistik weniger und weniger üblich ist (der Begriff „Plansprachen“ wurde vom Begründer der Terminologiewissenschaft und Esperanto-Lexikographen Eugen Wüster geprägt). In der Interlinguistik herrscht eher das Verständnis, dass vielleicht das Zusammenfügen der Elemente aus ethnischen Sprachen bis 1887 ein künstlicher Vorgang war, dass aber die Entwicklung und Verwendung des Esperanto seither sehr ähnlich sind wie bei allen anderen menschlichen Sprachen.

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Ist wichtig, wie "gut" Interlingua ist?

Neben Volapük und Esperanto wird auch das 1951 veröffentlichte Interlingua erwähnt, das von Sprachwissenschaftlern entwickelt wurde. Dies sei "die unter linguistischem Gesichtspunkt beste bisher vorgeschlagene Plansprache". Welche linguistischen Kriterien hierbei Verwendung fanden, wird nicht erläutert; ebenso wenig findet sich eine Darlegung, warum Interlingua dem Esperanto überlegen sein soll.

In der Praxis ist Interlingua jedenfalls wenig zu finden. Die ungarische Volkszählung 2001 hat 4570 Esperanto-Sprecher ermittelt sowie 2 Sprecher des Interlingua. ( 2011 wurden übrigens 8.397 Esperanto-Sprecher gezählt, ein Zuwachs von 84 % in zehn Jahren.) Vielleicht ist auch die Frage zu stellen, ob sich aus dem Sprachprojekt Interlingua durch ausreichend viel Sprachgebrauch in verschiedenen Gebieten bis heute eine wirkliche Sprache entwickelt hat.

Die Frage, ob Interlingua unter irgendwelchen Kriterien ein wenig besser ist als Esperanto, kann man diskutieren - allerdings sollte berücksichtigt werden, dass die Menschen in der Regel eine neue Lösung für eine Aufgabe erst dann annehmen, wenn die Lösung erheblich vorteilhafter ist als die bisherige. Ich meine mich zu erinnern, dass der Management-Denker Peter F. Drucker aufgrund historischer Studien über die Wirtschaftsentwicklung etwa 30 % als untere Grenze für die notwendige Rationalisierung durch eine solche neue Lösung angegeben hat - erst dann hat das Neue eine Chance; bei einem geringeren zu erwartenden Vorteil schätzen die Menschen den Aufwand für den Wandel als zu hoch ein und ebenso das Risiko nicht erfüllter Erwartungen. Diese Überlegung erlaubt es zu erklären, warum Volapük eine Sprachgemeinschaft bilden konnte, warum Esperanto das Volapük ablöste und warum seither keine andere Neu-Entwicklung einer geplanten Sprache dem Esperanto die hier führende Rolle streitig machen konnte: Volapük bot die notwendige schnellere Erlernbarkeit gegenüber den nationalen Sprachen, Esperanto war gegenüber Volapük erheblich einfacher und schneller zu erlernen - und seither hat es anscheinend keine weitere Entwicklung geschafft, einen signifikanten Fortschritt gegenüber Esperanto zu erreichen. Esperanto scheint ausreichend gut zu sein, um insofern keine Konkurrenz zu haben.

(Eine andere Frage ist, warum die Verbreitung des Esperanto nicht schneller geschieht. Festzustellen ist zunächst, dass Esperanto im 20. Jahrhundert von etwa 1000 Personen auf eine Größenordnung von etwa 100.000 aktiven Sprechern angewachsen ist. Ob das schnell oder langsam ist, ist schwer zu entscheiden - zumindest war der prozentuale Zuwachs größer als bei praktisch allen anderen Sprachen. Ansonsten ist zu berücksichtigen, dass das Neue so manchen Feind hat, s. Gunter Dueck (2013). Das Neue und seine Feinde: Wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen. ( Buch-Einleitung.) Weiterhin verbreiten sich Innovationen nach dem Modell der "Diffusionstheorie" - dies bedeutet u. a., dass die Anzahl der möglichen Anwender zunächst bei nur 2 % der späteren Anwender liegt, während 98 % praktisch unerreichbar sind, solange die tatsächlich schon stattfindende Anwendung noch weitgehend unbekannt ist; vgl. Wunsch-Rolshoven. Verbreitung von Ideen... 2012 sowie eine engl. Darstellung der sog. "Adopter categories".)

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Warum eigentlich Esperanto?

Im letzten Absatz zur Interlinguistik ist bei Lehmann zu lesen: "Eine Plansprache auszuarbeiten ist zweifellos eine Tätigkeit der Angewandten Linguistik. Allerdings gibt es schon Hunderte davon (...)"; Lehmann verweist noch darauf, dass die mit Abstand verbreitetste internationale Verkehrssprache Englisch ist.

Anzumerken ist, dass in der Praxis die Ausarbeitung weiterer Plansprachen oder Plansprachprojekte im Bereich der Interlinguistik keine große Rolle spielt. Vielleicht ist es auch nicht sinnvoll, die Hunderte von Plansprachprojekten allesamt als "Sprachen" zu bezeichnen; schließlich braucht ein Sprachentwurf, um den bestehenden Sprachen bezüglich der Funktion annähernd ebenbürtig zu sein, weit mehr als nur ein erstes Lehrbuch oder gar nur einige Notizen - nötig sind eine Fülle von Anwendungsbereichen und tatsächliche Verwendung, am besten täglich; dies fand oder findet sich wohl nur bei einer Handvoll von tatsächlichen Plansprachen (und eingeschränkt bei sog. "Semiplansprachen").

Dass Englisch weiter verbreitet ist als Esperanto, das ist auch in der Esperanto-Sprachgemeinschaft bekannt; Englisch-Kenntnisse sind bei Esperanto-Sprechern häufiger anzutreffen als in der allgemeinen Bevölkerung. Was bringt Esperanto-Sprecher also dazu, außer Englisch und anderen Sprachen auch Esperanto zu lernen und zu sprechen?

Bekanntlich kann man Esperanto weit schneller lernen als andere Sprachen; viele Esperanto-Sprecher berichten davon, dass sie schon nach etwa zwanzig Esperanto-Lernstunden angefangen haben, Esperanto in der Praxis zu nutzen (und zwar passiv und aktiv). In meinem Beitrag zum Bild des Esperanto unter Sprachwissenschaftlern wurden einige Studien zur rascheren Erlernbarkeit des Esperanto zitiert; in der Regel kann angenommen werden, dass die ersten hundert Stunden Esperanto so viel Kompetenz erbringen wie etwa der vierfache Aufwand in den meisten Sprachen wie Englisch oder Französisch. Auch später ist Esperanto weit schneller zu erlernen, und insbesondere ist die Grammatik mit begrenztem Aufwand beherrschbar. In der Studie von Nikola Rašić geben 18 % der Befragten an, dass sie sich in Esperanto so sicher fühlen wie in ihrer Muttersprache, 12 % teilen mit, dass sie sich etwas weniger natürlich ausdrücken können als in ihrer Muttersprache, 44 % fühlen sich sicherer als in ihren anderen Fremdsprachen (a. a. O., S. 162); insgesamt ergeben sich also 74 % der Befragten, die sich in Esperanto sicherer oder erheblich sicherer als in anderen Fremdsprachen fühlen, bis hin zu einem muttersprachlichen Niveau. Dies wird von vielen Esperanto-Sprechern als ein großer Vorzug der Sprache geschildert - man hat eine deutlich bessere Chance, sehr gut zu werden, als in anderen Fremdsprachen. Vielleicht ist es daher nicht sehr erstaunlich, dass 39 % der Befragten angeben, dass sie in Esperanto Artikel für Zeitschriften schreiben, 26 % übersetzen auch.

Ein weiterer Punkt, der Menschen zu Esperanto bringt, ist die internationale Sprachgemeinschaft sowie seine relative Neutralität - Esperanto lernen bedeutet, dass alle Seiten einen Schritt aufeinander zu machen.

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Zusammenfassung: Was erwähnt das Skript nicht?

Man kann sich die Frage stellen, was ein Student oder eine Studentin über Esperanto aus diesem Internet-Skript lernt - insbesondere in Bezug auf die in dem erwähnten Beitrag "Zum Bild des Esperanto aus der Sicht einiger Sprachwissenschaftler" zusammengetragenen unzutreffenden Aussagen über Esperanto.

Leider fehlt im Skript die Erwähnung der Esperanto-Praxis vollständig - es wird sogar behauptet, Esperanto sei Sprache keiner Gesellschaft. Man lernt nicht, dass es etwa tausend Esperanto-Muttersprachler gibt; damit wird nicht klar, dass Esperanto zu einer lebenden Sprache geworden ist; dies wird auch nicht in anderer Weise mitgeteilt.

Man lernt auch nicht, dass es etwa hundert Personen mit Esperanto als Hauptsprache gibt, dass die Zahl der aktiven Sprecher auf ein paar hunderttausend Menschen geschätzt wird und die Zahl der bisherigen Esperanto-Lerner auf ein paar Millionen; bei Duolingo fangen derzeit jährlich etwa 800.000 Lerner mit Esperanto an. Es gibt auch keine Erwähnung der Esperanto-Literatur, der Esperanto-Lieder oder der Wortspiele. Auch der Sprachwandel in Esperanto findet keine Beachtung.

Man kann sicher argumentieren, das meiste hiervon zu vermitteln sei nicht Aufgabe einer Einführung in die Sprachwissenschaft. Aber ist es wirklich sinnvoll, jungen SprachwissenschaftlerInnen all das vorzuenthalten? Ist es nicht eine sprachwissenschaftlich bemerkenswerte Erkenntnis des vergangenen Jahrhunderts, dass es möglich war, eine geplante Sprache nicht nur zu entwerfen, sondern sie auch zum Leben zu erwecken, mit einer Sprachgemeinschaft in über hundert Ländern weltweit und sogar einer muttersprachlichen Gemeinschaft?

Wann später in ihrer sprachwissenschaftlichen Ausbildung werden die jungen StudentInnen mehr über Esperanto erfahren? Wenn dies zu keinem Zeitpunkt mehr erfolgt, dann weiß die nachwachsende Generation genausowenig über Esperanto wie die vorherige und es ist abzusehen, dass sie gegenüber jüngeren Kollegen, Journalisten, in Artikeln und Büchern möglicherweise dieselben unzutreffenden Aussagen zu Esperanto machen werden, die die älteren LinguistInnen seit Jahrzehnten gemacht haben. Ist das wirklich gut, für alle Beteiligten? Dient das dem Ansehen der Wissenschaft?

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Grundkenntnisse zur Esperanto-Sprachgemeinschaft im Grundstudium der Linguistik

Meine Anregung geht dahin, dass jede/r StudentIn der Linguistik im Grundstudium die wichtigsten Informationen nicht nur zu Esperanto, sondern auch zur Esperanto-Sprachgemeinschaft einschließlich der muttersprachlichen Gemeinschaft erfahren sollte. Erst dann ist die nachwachsende Generation auch ausreichend gewappnet für die Fragen zu Esperanto, die JournalistInnen erfahrungsgemäß VertreterInnen der Sprachwissenschaft immer mal wieder zu stellen pflegen; mit der zunehmenden Verbreitung des Esperanto und der dank des Internet zunehmenden Sichtbarkeit dürfte diese Tendenz zunehmen.

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Louis F. v. Wunsch-Rolshoven

(Vielen Dank für sehr hilfreiche Hinweise an Sabine Fiedler und Bernhard Pabst.)

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